Wenn das Leben in Moll spielt
Zwei Wochen lang habe ich überlegt, ob ich diesen Beitrag schreiben möchte. Denn er ist sehr persönlich und auch wenn ich euch generell immer gerne viel von mir auf dem Blog erzähle, gibt es manche Themen die ich hier außen vor lasse.
Letztendlich waren es dann tatsächlich einige Nachrichten, die mich zu einem Instagram-Bild erreicht hatten, die mich nun dazu bewegt haben, euch einen sehr persönlichen und tiefen Blick in mein Seelenleben werfen zu lassen.
Vor einigen Wochen ist meine Oma gestorben und das hat mich sehr mitgenommen. Wir nehmen immer so gerne an, dass die Menschen die uns nahe sind, eine Ewigkeitsgarantie zu sein haben, was natürlich nicht der Fall ist.
Mir hat vor allem die Hilflosigkeit zugesetzt, mit der wir am Ende alle nur noch zuschauen und warten konnten. Da sein, reden, berühren. Nicht wissen, was der Mensch der da im Bett vor dir liegt noch mitbekommt. Was er vielleicht noch empfindet. Hat er Angst? Ist er bereit zu gehen?
Daran habe ich auch im Moment noch sehr zu verarbeiten und ich denke sehr viel über das Leben und den Tod nach. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass es eine Gnade ist, da sein zu dürfen: noch einmal sagen können, was man an diesem Menschen gemocht hat, woran man sich immer wieder erinnern wird.
Für meine Kinder ist es das erste Mal, dass ein Mensch aus der Familie geht. Während es dem Backhelfer noch recht egal ist (wer ist jetzt meine neue Uroma?) – er ist einfach noch zu klein und hat zu wenig bewusste Erinnerungen an die Uroma – ist das Backfräulein voll mit Fragen über den Tod, aber auch über das Leben.
Wir sprechen viel darüber, warum es den Tod geben muss. Warum Leben und Tod zusammengehören. Ich erzähle ihr, warum wir immer versuchen sollten, das Beste aus einem Tag zu machen und dass das nicht heißt, dass jeder Tag der Beste sein soll. Nein, aber ich denke wir sollten vielmehr so leben, dass wir das Bestmögliche aus unserem Leben herausholen. Dass wir kleine Freuden im Alltag finden. Dass uns ein Sonnenaufgang mit Glück erfüllt. Dass wir ein Lied im Radio laut aufdrehen und mitsingen. Dass wir den Nachtisch zuerst essen, denn das Leben ist nun einmal irgendwann vorbei.
Ich wünsche mir, dass meine Kinder dieses Wunder des Lebens bewusst erkennen. Ich wünsche mir, dass sie das Leben als Geschenk betrachten. Als Geschenk, zu dem auch der Tod und die Endlichkeit gehören, das aber voll ist von so vielen Momenten die uns glücklich machen können und die uns Zufriedenheit schenken. Und dass es vor dem Tod ein Leben gibt, das es mit Leben zu erfüllen gibt.
Anfangs hatte ich euch erzählt, dass ich diesen Beitrag schreibe, weil ich über Instagram einige Nachrichten bekommen habe. Ich hatte das Bild von einer Trauerkarte gepostet, die ich gebastelt habe und einige haben mich daraufhin angeschrieben und verschiedene Dinge gefragt, zum Beispiel ob ich etwas wüsste, was man im Todesfall als Symbol schenken kann. Oder auch wie man eine Freundin unterstützen kann, die einen Elternteil verloren hat.
Nun bin ich in der Situation, dass ich selbst traurig bin und mit dieser Trauer umgehen muss. Für mich selbst ist das Schreiben immer ein Ventil mit dem ich Gefühle verarbeiten kann. Und so habe ich auch in der Phase in der wir gemerkt haben, dass meine Oma uns bald verlässt, Gedichte geschrieben.
Vergissmeinnicht
Meine Oma hat eines sehr geliebt: das war ihr Garten (ok, gutes Essen auch). Sie hat Stunden in ihrem Garten verbracht und die herrlichsten Blumen dort gehabt. So kamen mir folgende Zeilen in den Sinn, die ich dann aufgeschrieben habe und die ihr (denke ich) gefallen hätten:
Das Vergissmeinnicht ist für mich ein Symbol, das ich sehr berührend finde: eine kleine, zarte Blume die mit ihrer Leuchtkraft doch immer einen besonderen Farbtupfer im Garten darstellt. Und die immer wieder kommt. Nach jedem Winter findet sich das Leben neu, scheint sie uns zu sagen.
Und das ist etwas, was die Natur uns generell vorlebt mit den Jahreszeiten: das Vergehen, das Sterben im Winter und dem immer wieder neuen Erwachen im Frühling.
Der ewige Kreislauf des Lebens.
So habe ich für meine Kinder überlegt, dass wir kleine Blumentöpfe mit Vergissmeinnicht an der Beerdigung an die Familie verschenken. Als Symbol, dass wir nicht vergessen wollen. Als Symbol dafür, dass die Erinnerung hilft, einen Menschen im Herzen zu behalten.
Für die Kinder ist eine solche Geste glaube ich sehr schön, um tatsächlich ein Stück Erinnerung weiterzutragen. Das Gedicht habe ich daran befestigt.
Als ich die Vergissmeinnicht fertig hatte, kam mir der Gedanken, dass ich euch diese Geste gerne weitergeben möchte. Denn vielleicht ist der ein oder andere auf der Suche nach genau einer solchen Möglichkeit, wie man Abschied nehmen kann. Selbst wenn es kein Todesfall ist, ich glaube diese Vergissmeinnicht sind auch für den Abschied im Kindergarten, im alten Job oder beim Umzug ein sehr liebevolles Geschenk.
Vielleicht findet jemand Trost in den Gedichtzeilen. Als ich gemerkt habe, dass es gerade einige Menschen gibt, die die Trauerkarte gesehen haben und sich dadurch an mich gewandt haben, weil sie gerade in einer ähnlichen Situation sind, war es für mich die Entscheidung euch eben auch in ein trauriges Kapitel abseits von Rezepten und DIY-Ideen mitzunehmen.
Abschied nehmen tut weh, gerade wenn wir wissen, dass er endgültig ist. Gleichzeitig merke ich aber auch ganz deutlich, dass ich das Leben nun noch einmal wertvoller betrachte. Dass ich dieses unglaubliche Geschenk am Leben zu sein, noch einmal ganz besonders würdigen möchte und meine Tage erfüllen möchte mit guten Gedanken, guten Handlungen und meinen Kindern zeigen möchte, wie sie in kleinen Dingen Wunderbares erkennen können.
Wenn ich an meine Oma denke, sehe ich eine Frau, die ein absolutes Steh-auf-Männchen war. Sie hat nie geklagt, sich nie beschwert und im Grunde allen Stürmen im Leben getrotzt.
Ich denke an sie und trage sie tief in meinem Herzen. Und wenn wir im nächsten Jahr unsere Vergissmeinnicht im Garten einsäen, werden wir immer ganz besonders an sie denken.
Ich sende euch ein Lächeln… denn ein Lächeln ist auch etwas, was im Herzen weiterbesteht.
Christine
Liebe Christine, das ist das erste Mal das ich auf einen Blog antworte, aber deine Worte haben mich auch sehr berührt. Unsere Oma ist auch dieses Frühjahr gestorben und wir haben in dieser Zeit auch sehr viel mit unserer Tochter – 11 – über den Tod und das Leben gesprochen. Und ich sehe es auch wie Du, man muss das Leben wirklich jeden Tag bewusst leben. Sich was gönnen, sich Zeit füreinander nehmen und nichts aufschieben, was man gerne machen möchte. Wir besuchen die Oma regelmässig auf dem Friedhof weil ich finde das ist auch wichtig. Es hört mit dem Tod nicht auf, sondern sie ist nach wir vor ein Teil von unserer Familie, und wenn wir beim einkaufen ein paar Blümchen für die Omi mitnehmen und sie ihr aufs Grab legen, dann freut sie sich auch vom Himmel runter. Deine Idee mit dem Vergissmeinnicht finde ich auch sehr sehr schön ! Ebenso der Spruch dazu. Ich lese Deine Blogs sehr gerne, sie sind immer was ganz besonderes für mich und ich nehme mir bewusst Zeit dafür ! mach weiter so – ganz liebe Grüsse Moni
Liebe Monika,
dein Kommentar hat mich gerade so berührt. Du beschreibst den Umgang mit dem Tod der Oma auch so liebevoll. Man merkt, wie viel Gefühl da im Spiel ist. Und ich danke dir so sehr für die lieben Worte zu meinem Beitrag und meinem Blog. Das hat mir gerade so ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Fühle dich fest umarmt für die Zeit die du dir für den Kommentar genommen hast.
Christine
Liebe Christine, die Idee mit den Vergissmeinnichten finde ich wunderschön. Sie hat mich an das Lieblingsgedicht meiner längst verstorbenen Oma erinnert. Vielleicht kennst du es. Es ist von Goethe und heißt „Gefunden“. Meine Oma sagte es uns immer wieder auf und immer, wenn ich daran erinnert werde, spüre ich ein wenig Trauer und Freude zugleich. Fühle dich herzlich umarmt von mir! Alles Liebe, Sabina
Liebe Sabina,
ja, Gefunden kenne ich gut. Und auch das Gefühl dass Trauer und Freude bei einer Erinnerung nah beieinander liegen können.
Ganz liebe Grüße an dich
Christine
Ein wunderschöner Beitrag, ich hatte Tränen in den Augen. Es ist zwar fast vier Jahre her, als ich meine beste Freundin auf tragische Weise verlor, aber es schmerzt immer noch sehr. Mit deinen Zeilen und dieser schönen Idee hast du mir wieder vor Augen geführt, dass jemand erst wirklich Tod ist, wenn niemand mehr an ihn denkt.
Herzlichen Dank und viel Kraft
Liebe Grüße
Steffi
Liebe Steffi,
danke für einen so liebevollen Kommentar. Morgen ist Allerheiligen und wir werden alle am Grab stehen und an meine Oma denken. Es ist wie du es sagst: in der Erinnerung lebt der Mensch weiter.
Ganz liebe Grüße an dich. Fühl dich gedrückt!
Christine